Totgesagte leben länger: Romantasy bei Carlsen
Erst vor einer nicht ganz so langen Zeit hörte man von allen Seiten: Fantasy hat es schwer auf dem Buchmarkt. Deutsche Romantasy sowieso. Niemand mehr möchte über Teenager lesen, die besondere Fähigkeiten entdecken, in eine fantastische Parallelwelt hineingezogen werden oder sich in einen geheimnisvollen, sehr attraktiven Vampir verlieben. Nachdem so gut wie jeder Verlag zu den Zeiten des großen Fantasy-Booms neue Labels mit dem eigenen Fantasy-Programm aufgemacht hat, wurden die Programmplätze nach und nach wieder gestrichen. Sogar bereits etablierte Autor*innen hatten Schwierigkeiten, ihre Manuskripte in diesem Segment unterzubringen.
Romantasy läuft zur Zeit einfach nicht, bekam man überall zu hören.
Eine Aussage wie ein Todesschuss für jede Idee.
Doch stimmt das immer noch? Dass ein Romantasy-Buch einerdeutschen Autorin oder eines deutschen Autors die Bestseller-Listen stürmt oder die Amazon-Charts anführt, ist in der Tat seltener geworden. Doch das Genre ist keineswegs völlig aus der Buchlandschaft verschwunden. Die Leserinnen und Leser sind immer noch da und suchen fieberhaft nach neuen Geschichten. Grund genug, um die ausgetretenen Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren!
Carlsen wird erwachsen: Neue Entwicklungen
Der Carlsen-Verlag wird vor allem mit Kinder- und Jugendbüchern in Verbindung gebracht. Im Fantasy-Bereich ist es dem Verlag gelungen, sich besonders mit „Harry Potter“ hervorzuheben und sich einen Namen zu machen. Einen Namen, der für unzählige – nicht nur junge – Fantasyliebhaber ein Begriff ist. Doch auch im Romantasy-Genre hat der Verlag mit „Twilight“, „Die rote Königin“ oder der „Obsidian“-Reihe große Erfolge gefeiert. 2013 rief der Verlag das Label „Impress“ ins Leben, das für viele deutsche Autor*innen zu einem Sprungbrett geworden ist. Nun eine Neuerung: Mit dem Solgan „We love Romantasy“ stellte der Verlag im Frühjahr 2020 sein neues Romantasy-Programm vor, das bis jetzt drei Titel beinhaltet: „Ezlyn“ von Karolyn Ciseau, „Drachendunkel“ von Eyrisha Summers und „Das Lied der Sonne“ von Jennifer Wolf. Was steckt dahinter?
Nicole Boske, die Lektorin und Projektmangerin von „Impress“ im Carlsen-Verlag, erzählt: „Es ist für uns ein logischer nächster Schritt, um uns gemeinsam mit unseren Erfolgsautor*innen weiterzuentwickeln. Gleichzeitig ermöglicht uns diese neue Schnittstelle auch, das Genre optimal am Markt zu platzieren, in dem wir unseren Vermarktungsschwerpunkt nicht auf ein Format fokussieren. Wir führen die Welten aus Digital und Print zusammen, nutzen die Erfolgsfaktoren von Impress, unter dessen Label die E-Books erscheinen, und von Carlsen, unter dessen Label die Romane als hochwertig veredelte Klappenbroschuren erscheinen. Nicht mehr „entweder-oder“, das ist für uns die Devise der Zukunft.“
Damit setzt Carlsen ein deutliches Zeichen und Romantasy bekommt einen neuen Aufschwung.
Die Hoffnung für deutsche Autor*innen
Auffallend im neuen Carlsen-Programm ist vor allem die Tatsache, dass der Verlag nicht auf die Bestseller aus der Übersee setzt, sondern deutschsprachige Autorinnen mit ins Boot holt. Das einzige Kriterium: Die Geschichten müssen überzeugen, etwas Besonderes sein, die ausgetretenen Pfade verlassen. Neue Ideen, neue Ansätze werden gesucht – die den Geist des Romantasy-Genres dennoch bewahren. Es müssen Geschichten sein, die einen ganz besonderen Sog auf die Leserinnen entwickeln und ihre Herzen höher schlagen lassen. Lily S. Morgan ist eine der erfolgreichsten Bücherbloggerinnen auf Instagram mit über 43 Tausend Abonnenten. Sie weiß, was eine gute Geschichte ausmacht: „Romantasy ist eine Mischung aus Bauchkribbeln und Abenteuer in einem außergewöhnlichen Setting. Für mich sind die Charaktere und die Entwicklung ihrer Beziehung entscheidend. Ich möchte gerne das Knistern und die Anziehung spüren, um mich mit ihnen zu verlieben. Wenn dann die Fantasywelt noch logisch aufgebaut ist, den magischen Funken überspringen lässt und verzaubert, ist die Zielgruppe sicher begeistert.“
Doch mit dem neuen Programm setzt Carlsen nicht nur auf das Knistern und ein außergewöhnliches Setting. Auch das Alter der Figuren spielt eine Rolle. Nicole Boske verrät: „Aktuell legen wir einen Schwerpunkt auf die New Adult Fantasy. Während der Markt durch viele Verlage mit New Adult Romance sehr stark bedient wird, fehlt den Leser*innen das Pendent im Bereich der Fantasy. Etwas, dass uns von unseren Communities bei Carlsen auch ganz klar gespiegelt wird. Dieses Bedürfnis möchten wir mit ganz viel Herzblut und Leidenschaft für unsere Bücher bedienen und sind meines Wissens aktuell auch der einzige Verlag, der dieses Genre so klar definiert seinen Leser*innen anbietet.“
Doch kann Carlsen die LeserInnen für die neue Richtung begeistern? Die Bücher so in Szene setzen, dass man darüber spricht, sie in Erinnerung behält? Auch da hat sich der Verlag etwas ganz Besonderes überlegt.
Romantasy Read Treat: Ein Lesewochenende bei Carlsen
Im Februar lud der Verlag 25 Bloggerinnen zu einem ganz besonderen Event ein: „Romantasy Read Treat“. Auf dem Programm standen spannende Präsentationen, der Einblick in die Bücher, das Treffen mit den Autorinnen und natürlich ganz viel Spaß. Vor allem der Austausch mit Gleichgesinnten, die Übernachtung in einem schönen Haus – als hätte Carlsen zu einer buchigen Pyjama-Party eingeladen und damit direkt ins Herz der buchbegeisterten Mädels getroffen. Aber auch der Kontakt zu den Autorinnen war sehr wertvoll, konnten die Bloggerinnen doch bei einem leckeren Essen einen persönlichen Einblick in die schriftstellerische Arbeit erlangen.
Alles in allem – ein sehr gelungenes Wochenende, das allen Seiten viel Spaß gemacht hat. Christin von „Christins Wunderkiste“ schwärmt dabei von ihrem Favoriten, den sie am Lesewochenende kennengelernt hat: „Ich habe mich sofort in Ezlyn schockverliebt. Nicht nur das Cover, sondern auch der Klappentext haben mich angesprochen. Als ich die erste Seite aufgeschlagen und gelesen habe war es um mich geschehen.“
Deutsche Romantasy ist tot. Es lebe deutsche Romantasy!
Alles in allem kann man sagen: Nach einer kleinen Durststrecke ist deutsche Romantasy wieder im Aufschwung, denn auch andere Verlage tasteten sich wieder vermehrt an dieses Genre heran. Neue Stoffe werden händeringend gesucht, mit ausgetretenen Pfaden kann man allerdings nach wie vor eher schwer punkten. Autor*innen brauchen also neue Ideen, ohne den Rahmen des Genres zu verlassen oder etwas übers Knie zu brechen. Eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl verlangt. Wie und wohin sich das Ganze entwickeln wird, bleibt abzuwarten. New Adult Fantasy ist jedoch ein Begriff, den man auf jeden Fall im Auge behalten sollte.
(c) Olga A. Krouk für Nautilus – Abenteuer und Phantastik
Bilder: Carlsen-Verlag
Übrigens: Auch „Die Schattenflüsterin. Zwischen Herz und Dämon“ gehört in den Bereich New Adult Romantasy!